--- author: B. A. Sylla category: Howto date: 2025-06-01 language: de tags: Astronomy, Escape Velocity, Super Earth --- Howto - Die Berechnung der Fluchtgeschwindigkeit einer Supererde ================================================================ Geändert: {sub-ref}`today`, Wörter: {sub-ref}`wordcount-words`, Lesedauer: {sub-ref}`wordcount-minutes` min Neulich kam ich beim [Binge Watching](https://de.wikipedia.org/wiki/Binge_Watching) auf Youtube über die Behauptung dass das [Fermi-Paradoxon](https://de.wikipedia.org/wiki/Fermi-Paradoxon) daher kommt, dass die Außerirdischen ihre [Supererde](https://de.wikipedia.org/wiki/Supererde) womögliche wegen der höheren Fluchtgeschwindigkeit nicht verlassen könnten. Weswegen sie uns daher bislang nicht besucht hätten. Meine eigene Ansicht zum Fermi-Paradoxon ist die, dass die Außerirdischen höchstwahrscheinlich entweder einzellige Lebewesen wie Pilze oder Bakterien sind. Oder sie sind vielzellige Lebewesen wie Pflanzen, Dinosaurier oder Insekten. Zumal $75 \, \%$ der Lebewesen auf der Erde heutzutage Insekten sein sollen. Mit anderen Worten Dinosaurier und Insekten fliegen nicht ins Weltall. Obwohl es die Vermutung gibt, dass Bakterien mit Asteroiden durch das Weltall gondeln. Bewiesen ist das nicht und es ist schwer zu glauben, dass Ebola und Herpes durch das All fliegen. Ich würde es aber gerne genauer wissen wie die Fluchtgeschwindigkeit bei einer Supererde ist. Ist sie wirklich so irrwitzig größer als auf der Erde? Das lässt sich leicht berechnen. Die Formel für die Fluchtgeschwindigkeit (_Zweite kosmische Geschwindigkeit_ $v_2$) ----------------------------------------------------------------------------------- In der Astrophysik gibt es etwas das [Fluchtgeschwindigkeit](https://de.wikipedia.org/wiki/Fluchtgeschwindigkeit_(Raumfahrt)) genannt wird. Die gibt es in drei Varianten die als _Erste_, _Zweite_ und _Dritte kosmische Geschwindigkeit_ ($v_1$, $v_2$, $v_3$) bezeichnet werden. Die drei Fluchtgeschwindigkeiten unterscheiden sich wie folgt: - **Erste kosmische Geschwindigkeit $v_1$:** Geschwindigkeit, die nötig ist, um in eine stabile Kreisbahn knapp über der Oberfläche eines Himmelskörpers einzutreten, ohne zusätzlichen Antrieb. - **Zweite kosmische Geschwindigkeit $v_2$:** Geschwindigkeit, die ein Objekt braucht, um den Gravitationsbereich des Himmelskörpers vollständig zu verlassen, ohne weiteren Antrieb. - **Dritte kosmische Geschwindigkeit $v_3$:** Geschwindigkeit, die nötig ist, um das gesamte Gravitationseinflussgebiet des Zentralkörpers (z. B. der Sonne) zu verlassen – typischerweise bezogen auf den Start von einem Planeten wie der Erde. Hier folgen nun die drei Formeln für die drei Fluchtgeschwindigkeiten: \begin{align} v_1 &= \sqrt{\frac{GM}{R}} & v_2 &= \sqrt{\frac{2GM}{R}} & v_3 &= \sqrt{(v_{2,SO}-v_{MO})^2+v_2^2} \end{align} Dabei bedeuten die Variablen Folgendes: - **$G$:** Ist die Gravitationskonstante. - **$M$:** Ist die Masse der Himmelskörpers. - **$R$:** Ist der Radius des Himmelskörpers. - **$v_{2,SO}$:** Das ist $v_2$ im Abstand des Himmelskörpers zu seiner Sonne, $SO$ ist abgekürzt für Sonnenorbit. Bei der Erde sind das ungefähr $42,1\ km/h$. - **$v_{MO}$:** Ist die Mittlere Orbitalgeshwindigkeit. Bei der Erde sind das ungefähr $29,78\ km/h$. Berechnung für die Erde ----------------------- Für die Erde gelten folgende Werte für die Variablen zum Berechnen der drei Fluchtgeschwindigkeiten. - $G$ die Gravitationskonstante, ungefähr $6.674 \times 10^{-11} \, \text{m}^3/\text{kg}\cdot\text{s}^2$, - $M$ die Masse der Erde, ungefähr $5.972 \times 10^{24} \, \text{kg}$, - $R$ der mittlere Radius der Erde, ungefähr $6.378135 \times 10^6 \, \text{m}$. Setzen wir die Werte in die Formel für $v_2$ ein, ergibt sich folgende Rechnung. \begin{align} v_1 &= \sqrt{\frac{6.674 \times 10^{-11} \, \text{m}^3/\text{kg}\cdot\text{s}^2 \times 5.972 \times 10^{24} \, \text{kg}}{6.378135 \times 10^6 \, \text{m}}} = 7905.077773 \, \text{m/s} \approx 7.9 \, \text{km/s}\\ v_2 &= \sqrt{\frac{2 \times 6.674 \times 10^{-11} \, \text{m}^3/\text{kg}\cdot\text{s}^2 \times 5.972 \times 10^{24} \, \text{kg}}{6.378135 \times 10^6 \, \text{m}}} = 11179.4682 \, \text{m/s} \approx 11.2 \, \text{km/s} \end{align} Man muss also ca. $11,2 \, \text{km/s}$ erreichen, um von der Oberfläche der Erde ins Weltall zu fliegen. Umgerechnet auf Stundenkilometer (multiplizieren mit $3600 \, \text{s/h}$) ergibt das ca. $40246,1 \, \text{km/h}$. Wir können dann noch $v_3$ mit folgenden Werten berechnen: - $v_{2,SO}$ das ist $v_2$ der Erde im Abstand zur Sonne (1 AE), ungefähr $42.121 \, \text{km/s}$ - $v_{MO}$ die Mittlere Orbitalgeshwindigkeit der Erde, ungefähr $29.78 \, \text{km/s}$ \begin{align} v_3 &= \sqrt{(42.121 \, \text{km/s} - 29.78 \, \text{km/s})^2 + 11.179^2 \, \text{km/s}} = 16.65143603 \, \text{km/s} \approx 16.6 \, \text{km/s} \end{align} Berechnung für Himmelshörper unseres Sonnensystems -------------------------------------------------- Zunächst wollen wir uns mal die Fluchtgeschwindigkeiten in unserem Sonnensystem anhand einer Tabelle anschauen. Dabei lassen wir $v_3$ wie aus, weil das zu kompliziert zu berechnen ist. Wir bräuchten dann eine zusätzliche Spalte für die Mittleren Orbitalgeschwindigkeiten $v_{MO}$. |"Stern"[^stern]|$M\ [kg]$ |$R\ [10^{6}m]$|$v_1\ [km/s]$|$v_2\ [km/s]$|$v_1\ [km/h]$|$v_2\ [km/h]$| |---------------|---------------------------|-----------|-----------|-----------|---------------|---------------| |Merkur |$3.301\times 10^{23}$ |$2.4405$ |$3.005$ |$4.249$ |$10816.306$ |$15296.566$ | |Venus |$4.8673\times 10^{24}$ |$6.0518$ |$7.326$ |$10.361$ |$26375.298$ |$37300.304$ | |Erde |$5.972\times 10^{24}$ |$6.378135$ |$7.905$ |$11.179$ |$28458.280$ |$40246.086$ | |Mars |$6.417\times 10^{23}$ |$3.3962$ |$3.551$ |$5.022$ |$12783.948$ |$18079.233$ | |Jupiter |$1.89813\times 10^{27}$ |$71.492$ |$42.095$ |$59.531$ |$151540.898$ |$214311.193$ | |Saturn |$5.683\times 10^{26}$ |$60.28$ |$25.084$ |$35.474$ |$90302.091$ |$127706.442$ | |Uranus |$8.681\times 10^{25}$ |$25.559$ |$15.056$ |$21.292$ |$54201.156$ |$76652.010$ | |Neptun |$1.024\times 10^{26}$ |$24.764$ |$16.612$ |$23.493$ |$59804.682$ |$84576.592$ | |Pluto |$1.303\times 10^{22}$ |$1.187$ |$0.856$ |$1.210$ |$3081.360$ |$4357.701$ | |Mond (Erde) |$7.346\times 10^{22}$ |$1.737$ |$1.680$ |$2.376$ |$6048.131$ |$8553.348$ | |Sonne |$1.9884\times 10^{30}$ |$696.342$ |$436.550$ |$617.375$ |$1571578.880$ |$2222548.167$ | |Sonne (Erdbahn = 1 AE)|$1.9884\times 10^{30}$ |$149597.8$|$29.784$ |$42.121$ |$107222.215$ |$151635.110$ | ### Beobachtungen 1. Sowohl die Massen, Radien als auch dann die resultierenden Fluchtgeschwindigkeiten sind bei Venus und Erde fast gleich. 1. Fast gleich sind auch die Fluchtgeschwindigkeiten von Merkur und Mars, obwohl Merkur halb so viel Masse hat wie Mars. 1. Beim massereichsten Planeten Jupiter muss man $v_2=214311.193\ km/h$ erreichen, um von seiner "Oberfläche" zu entkommen. Das ist ungefähr 5,3 mal so viel wie bei der Erde mit $v_2=40246.086\ km/h$. 1. Saturns Radius ist mit 1/7 kaum kleiner als der von Jupiter. Seine Masse ist dagegen etwa 2/3 kleiner. So ist seine Zweite kosmische Geschwindigkeit $v2$ nur ungefähr halb so groß wie bei Jupiter. 1. Auch die Fluchtgeschwindigkeiten von Uranus und Neptun sind fast gleich. Denn ihre Massen und Radien sind fast gleich. 1. Der irdische Mond ist ungefähr 5,6 mal so massereich wie Pluto. Seine Fluchtgeschwindigkeiten sind ungefähr doppelt so hoch wie die Plutos. Berechnung für hypothetische Supererden --------------------------------------- Nachdem wir die Fluchtgeschwindigkeiten in unserem Sonnensystem berechnet haben, können wir uns auch hypothetische Supererden anschauen. Dabei betrachten wir die Massen und Radien, wenn sie halb oder doppelt so groß wären wie die der Erde. Dabei lassen wir $v_3$ wie im vorigen Abschnitt aus. |"Stern"[^stern] |$M\ [kg]$ |$R\ [10^{6}m]$ |$v_1\ [km/s]$|$v_2\ [km/s]$|$v_1\ [km/h]$|$v_2\ [km/h]$| |---------------------------|-----------------------|---------------|-----------|-----------|---------------|---------------| |Supererde A (0.5M+0.5R) |$2.986\times 10^{24}$ |$3.1890675$ |$7.905$ |$11.180$ |$28458.280$ |$40246.086$ | |Supererde B (0.5M+1.0R) |$2.986\times 10^{24}$ |$6.378135$ |$5.590$ |$7.905$ |$20123.043$ |$28458.280$ | |Supererde C (1.0M+0.5R) |$5.972\times 10^{24}$ |$3.1890675$ |$11.179$ |$15.810$ |$40246.086$ |$56916.560$ | |Erde (1.0M+1.0R) |$5.972\times 10^{24}$ |$6.378135$ |$7.905$ |$11.180$ |$28458.280$ |$40246.086$ | |Supererde D (1.0M+2.0R) |$5.972\times 10^{24}$ |$12.756270$ |$5.590$ |$7.905$ |$20123.043$ |$28458.280$ | |Supererde E (2.0M+1.0R) |$11.944\times 10^{24}$ |$6.378135$ |$11.179$ |$15.810$ |$40246.086$ |$56916.560$ | |Supererde F (2.0M+2.0R) |$11.944\times 10^{24}$ |$12.756270$ |$7.905$ |$11.180$ |$28458.280$ |$40246.086$ | ### Beobachtungen 1. Interessant ist, dass Supererde A mit halber Masse und halbem Radius der Erde genau die gleichen Fluchtgeschwindigkeiten hat. Und das ist auch dann der Fall, wenn wie bei Supererde F die Masse doppelt und der Radius doppelt wie bei der Erde sind. 1. Die Supererden C (halber Radius der Erde) und E (doppelte Masse der Erde) haben gleiche kosmische Geschwindigkeiten. Aber die sind kaum größer als die der Erde. Fazit ----- Das erscheint sehr unwahrscheinlich dass die Massen oder Radien von Supererden soviel anders sind, dass die jeweiligen Fluchtgeschwindigkeiten dann extrem anders wären als die der Erde. Selbst bei doppelter Masse der Erde oder bei halbem Radius verändern sich die Fluchtgeschwindigkeiten kaum. Das kann also kaum der Grund sein, dass sich Aliens auf der Erde nicht blicken lassen. [^stern]: Mit "Stern" ist ein altes deutsches Synonym für Himmelskörper gemeint. Himmelskörper passte nicht rein.